Leistungsverzeichnis Baumeisterarbeiten

von Martina
(Niederösterreich)

Wir haben schon vor zwei Jahren Ihr Hausbaukostenkostenbuch gekauft und haben dadurch sehr viel gelernt. Sehr hilfreich ist dabei die im Leistungsumfang enthaltene, kostenlose Bauberatung per E-Mail, die wir schon mehrmals in Anspruch genommen haben. Heute habe wir erneut eine Frage, es geht um das Leistungsverzeichnis:


Wie von Ihnen empfohlen, haben wir für den Bau unseres Hauses einen kompetenten Architekt beauftragt. Dieser hat mittlerweile das erste Leistungsverzeichnis für die Baumeisterarbeiten erstellt und in den nächsten Tagen sollen die Ausschreibungsunterlagen an die Firmen verschickt werden. Unserer Meinung sind im LV alle erforderlichen Leistungspositionen enthalten und alles ist sehr gut beschrieben.

Als Laien können wir aber trotzdem nicht beurteilen, ob das LV vollständig ist oder ob irgendwo etwas übersehen wurde. Könnten Sie als Fachmann einen Blick in das LV werfen und eine Beurteilung abgeben? Ihre Meinung wäre sehr wichtig für uns. LG, Martina

Bauhilfe24-Antwort

Hallo Martina,

schön, dass Sie nach dem Kauf meines Hausbaukostenbuchs Edition Gold erneut die im Leistungsumfang enthaltene, kostenlose E-Mail-Bauberatung in Anspruch nehmen. Da ich Sie auf Ihrem Weg zum eigenen Haus nun schon seit einiger Zeit bauberatend begleiten durfte und meine Empfehlungen von Ihnen bisher ziemlich genau umgesetzt wurden, helfe ich Ihnen natürlich auch dieses Mal gerne weiter.

Ich habe mir daher das von Ihrem Architekt erstellte Leistungsverzeichnis über die Durchführung der Baumeisterarbeiten etwas näher angeschaut. Fazit: Das Leistungsverzeichnis ist im Hinblick auf die Positionsbeschreibungen sehr gut gemacht, daran gibt es eigentlich nichts auszusetzen - mit einer im ersten Moment vielleicht unscheinbaren Ausnahme:

Bei den Stundenlohnarbeiten (auch genannt Regiestunden) wurde nur jeweils 1 Stunde ausgeschrieben, um den Stundensatz für eventuell anfallende Stundenlohnarbeiten in Erfahrung zu bringen. Das ist ein Fehler, der von vielen "Ausschreibern" gerne gemacht wird - nicht selten auch von Architekten. Und dieser Fehler kann sich unter Umständen gravierend auf die tatsächlichen Baukosten auswirken.

Worum geht es?
Da nur eine einzige Stunde ausgeschrieben wurde, wird der Anbieter hier vermutlich einen "etwas höheren" Stundensatz angeben - im Extremfall kann sich dadurch der Normalpreis vielleicht sogar verdoppeln. Das könnte der Anbieter sogar "mit ruhigem Gewissen" tun, weil sich diese Position zumindest rein optisch nicht wirklich auf die Gesamtsumme auswirken wird. Ob am Ende bei der Gesamtsumme 50, 75 oder 100 Euro mehr herauskommen oder nicht, wird jedenfalls keine wesentliche Rolle spielen.

ABER: Was passiert, wenn tatsächlich - aus welchen Gründen auch immer - beim Bau später vielleicht insgesamt 100 Stunden oder noch mehr Stundenlohnarbeiten erforderlich sind und diese Stunden dann zum zu hohen Stundensatz auch bezahlt werden müssen?

Realistisches Rechenbeispiel:

  • Variante a) 100 Stunden x 50 EUR (ca. Normalstundensatz) = 5.000 EUR
  • Variante b) 100 Stunden x 75 EUR (zu hoher Stundensatz) = 7.500 EUR
  • Variante c) 100 Stunden x 100 EUR (verdoppelter Normalpreis) = 10.000 EUR
Heißt: Ein zu hoher Stundensatz kann bereits bei angenommenen 100 nicht geplanten Arbeitsstunden später wirklich teuer werden, wobei es nicht selten um wesentlich mehr Stunden geht. In diesem Beispiel wären das jedenfalls immerhin 2.500 oder sogar 5.000 EUR (Streit mit Baumeister vorprogrammiert).

LÖSUNG:

Im Leistungsverzeichnis sollte keinesfalls nur eine einzige Stunde für Stundenlohnarbeiten ausgeschrieben werden. Empfehlenswert ist es vielmehr, mindestens 20, 50, 100 oder noch mehr Stunden je Arbeitskraft ins Leistungsverzeichnis zu schreiben.

Warum mehr ausschreiben?
Weil dann der Anbieter damit rechnen muss, dass diese Stunden auch tatsächlich anfallen. Und weil sich der angebotene Stundensatz auf die Gesamt-Angebotssumme auswirkt, wird ein kluger Anbieter also den "richtigen" Stundensatz anbieten, um in die engere Wahl für die Auftragsvergabe zu kommen. Im Gegensatz dazu würden zu hohe Stundensätze die Angebotssumme unnötig verteuern.

Wenn dann in der Praxis (wie angestrebt) KEINE Stundenlohnarbeiten anfallen, hat das auf den Auftrag keine negativen Auswirkungen, weil Stundenlohnarbeiten immer nach tatsächlichem Aufwand verrechnet werden. Wenn also keine Stundenlohnarbeiten nötig sind, wird es auch keine Verrechnung geben.

Pauschalauftrag?
Sollte Ihr Architekt schlussendlich einen (empfehlenswerten) Pauschalauftrag anstreben, dürfen die Stundenlohnarbeiten allerdings NICHT in die Auftragssumme eingerechnet werden, weil Stundenlohnarbeiten ja normalerweise nicht vorhergesagt werden können. Wenn alles ordentlich ausgeschrieben ist, was hier ja der Fall ist, sollte es in der Praxis daher zu keinen Stundenlohnarbeiten kommen. Genau das muss aber der Anbieter nicht wissen - dieser soll ruhig annehmen, dass (wofür auch immer) Stundenlohnarbeiten durchzuführen sind.

Unabhängig von diesen taktischen Überlegungen kann aber trotzdem auch in der Praxis immer etwas Unvorhergesehenes passieren. Und für diesen unvorhergesehenen "Sonderfall" müssen schon bei Auftragsvergabe realistische und ortsübliche Stundensätze vereinbart werden. Also: Bei Stundenlohnarbeiten sollten in jedem Fall mehrere Stunden ausgeschrieben werden, um die angemessenen Stundensätze zu bekommen. Diesen Punkt sollte der Architekt daher auch in jedem Fall beachten bzw. korrigieren.

Noch eine allgemeine Anmerkung:
Natürlich bieten nicht alle Baufirmen überhöhte Stundensätze an, wenn nur jeweils eine einzige Stunde für Facharbeiter oder Bauhelfer ausgeschrieben wird. Es gibt vielmehr schon auch zahlreiche ehrliche Firmen, die seriöse und akzeptable Stundensätze angeben.

Sehr viele Firmen nutzen in diesem Fall aber die Gelegenheit, um höhere Preise anzubieten. Bei diesen Firmen muss dann während der Bauzeit allerdings bei jeder Kleinigkeit, die womöglich nicht in einer passenden Leistungsposition enthalten ist, mit der Vorlage eines Regieberichtes (Bestätigung über durchgeführte Stundenlohnarbeiten) gerechnet werden. Genau das gilt es daher (z.B. durch einen guten Pauschalauftrag) zu vermeiden, weil das bei unklaren Regelungen unter Umständen eben sehr teuer werden kann...

Mehr Erfolg beim Hausbau!

Wilfried Ritter
Autor und Herausgeber

P.S.: Das Muster-LV gibt es auch als Excel-Datei. Damit kann jeder Bauherr auch selbst ein individuelles Leistungsverzeichnis für sämtliche Hausbau-Gewerke erstellen, daraus eine professionelle Bauausschreibung machen und mit den integrierten Detailpreisen für jede einzelne Leistungsposition gleichzeitig auch die Baukosten kalkulieren.

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